Das menschliche Urteil in der evidenzbasierten Medizin
Zusammenfassung Bei der Anwendung medizinischen Wissens – sowohl in der klinischen Praxis als auch in der politischen Entscheidungsfindung – hat das Konzept der evidenzbasierten Medizin (EBM) in den letzten 30 Jahren eine dominante Position eingenommen. Die EBM versteht sich einerseits als Bewegung...
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Veröffentlicht in: | Der Onkologe 2020-05, Vol.26 (5), p.456-464 |
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1. Verfasser: | |
Format: | Artikel |
Sprache: | ger |
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Online-Zugang: | Volltext |
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Zusammenfassung: | Zusammenfassung
Bei der Anwendung medizinischen Wissens – sowohl in der klinischen Praxis als auch in der politischen Entscheidungsfindung – hat das Konzept der evidenzbasierten Medizin (EBM) in den letzten 30 Jahren eine dominante Position eingenommen. Die EBM versteht sich einerseits als Bewegung gegen überkommene medizinische Entscheidungsstrukturen, andererseits ist sie eine Methode, die bestimmte Prozeduren (Evidenzpyramide, das GRADE-System [Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation]) anhand verschiedener Kriterien (randomisierte kontrollierte Studien [RCT], Metaanalysen als höchste Stufen der Evidenz) bereitstellt, um die Entscheidungsfindung in der Medizin zu erleichtern. Angesichts der Komplexität der medizinischen Wissensbestände sind solche Prozeduren dringend notwendig und ein Grund für den großen Erfolg der EBM. Die Reduktion der Komplexität auf eine Handvoll von Kriterien stößt jedoch an Grenzen und wirft neue Probleme auf. Der Umgang mit diesen ist eine der Herausforderungen, denen sich die EBM seit ihrem Entstehen stellen muss. Ich argumentiere dafür, dass es der Einsicht bedarf, dass sich das menschliche Urteil (etwa in Form von Konsensen, aber auch in Form des Transparentmachens von Dissensen) nicht aus der medizinischen Entscheidungsfindung verbannen lässt. Menschliche Urteile – ob von Einzelnen oder in Gruppen getroffen – sind zwar aus vielerlei Gründen (Irrtum, Unwissen, Interessenkonflikte, Machtansprüche) fehlbar – sie lassen sich aber nicht dadurch aus der Welt schaffen, dass man sie ignoriert oder in den Glauben verfällt, man könnte die aus ihnen entstehende Verantwortung komplett an Prozeduren oder Algorithmen abgeben. Im ersten Teil verortet der Artikel die EBM in ihrem historischen Kontext. Im zweiten Teil wird – anhand der Evidenzpyramide und des GRADE-Verfahrens – die Hierarchie der Evidenz kritisch diskutiert und ihre Grenzen aufgezeigt. Im letzten Teil wird an zwei Beispielen – der Evidenz der Methoden der EBM und der Konsensuskonferenzen bei der Leitlinienerstellung – die Bedeutung des menschlichen Urteils hervorgehoben. |
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ISSN: | 0947-8965 2731-7226 1433-0415 2731-7234 |
DOI: | 10.1007/s00761-020-00720-x |