Richterliche Dienstpflichtverletzungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren

1. Die richterliche Unabhängigkeit beseitigt nicht die Bindung an Recht und Gesetz. 2. Wer als Richter/in in Betreuungssachen bei der Entscheidung über die Genehmigung geschlossener Unterbringungen und zwangsweise durchzuführender Behandlungen wesentliche Verfahrensvorschriften nicht einhält, die ge...

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Veröffentlicht in:Medizinrecht 2021-10, Vol.39 (10), p.919-926
Format: Artikel
Sprache:ger
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Beschreibung
Zusammenfassung:1. Die richterliche Unabhängigkeit beseitigt nicht die Bindung an Recht und Gesetz. 2. Wer als Richter/in in Betreuungssachen bei der Entscheidung über die Genehmigung geschlossener Unterbringungen und zwangsweise durchzuführender Behandlungen wesentliche Verfahrensvorschriften nicht einhält, die gesetzlichen Voraussetzungen von Zwangsbehandlungen nicht beachtet und Beschwerden betroffener Personen nicht behandelt, verletzt die ihr/ihm obliegenden Dienstpflichten grob fahrlässig. 3. Wesentliche Verfahrensvorschriften hält ein/e Richter/in dann nicht ein, a) wenn sie/er kein Sachverständigengutachten einholt, bevor sie/er über darüber entscheidet, ob die geschlossene Unterbringung einer psychisch kranken Person verlängert wird, b) wenn sie/er in einem solchen Verfahren nicht begründet, warum ein Verfahrenspfleger nicht bestellt wird, c) wenn sie/er in einem Verfahren, in dem die Unterbringung mehr als vier Jahre andauert, ein Gutachten von einer/m Ärzt/in einholt, die/der die betr. Person bisher bereits behandelt oder begutachtet hat, d) wenn sie/er die betr. Person in einem solchen Verfahren entweder gar nicht oder erst am dritten Tag (oder später) nach dem Tag anhört, an dem sie/er beschlossen hat, die betr. Person einstweilig unterbringen zu lassen, e) wenn sie/er bei Verlängerungsentscheidungen, die als einstweilige Anordnungen ergehen, nicht beachtet, dass für nacheinander angeordnete einstweilige Unterbringungen Höchstfristen gelten, f ) wenn sie/er die betr. Person erst fünf Tage nach dem Tag anhört, an dem sie/er einstweilig angeordnet hat, die betr. Person an fünf Punkten des Körpers zwangsweise zu fesseln oder sie zwangsweise zu behandeln, g) wenn sie/er einen Unterbringungsbeschluss nicht aufhebt, obwohl sie/er weiß, dass die Voraussetzungen dafür weggefallen sind, h) wenn sie/er die betr. Person nicht anhört, bevor sie/er mit einstweiliger Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellt, i) wenn sie/er einen Einwilligungsvorbehalt anordnet, ohne ein Sachverständigengutachten dazu eingeholt zu haben, ob das erforderlich sei. 4. Wer als Richter/in am Betreuungsgericht ein Betreuungsdezernat in der Form fortführt, wie es ihr/ihm übergeben worden ist, kann nicht annehmen, dass dies den gesetzlichen Vorschriften entsprechen werde. (Leitsätze des Bearbeiters)
ISSN:0723-8886
1433-8629
DOI:10.1007/s00350-021-6016-6