Goethe als Vorleser, Sprecherzieher und Theoretiker der Vortragskunst
Zusammenfassung Von Jugend an pflegte Goethe, eigene und fremde literarische Texte mündlich vorzutragen. Wie er vorlas, ist durch Beschreibungen von Freunden und Bekannten überliefert, allerdings sind diese Äußerungen interpretationsbedürftig. Soviel scheint aber festzustehen, dass sich Goethe selbe...
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Veröffentlicht in: | Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 2016-12, Vol.90 (4), p.529-565 |
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Format: | Artikel |
Sprache: | ger |
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Online-Zugang: | Volltext |
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Von Jugend an pflegte Goethe, eigene und fremde literarische Texte mündlich vorzutragen. Wie er vorlas, ist durch Beschreibungen von Freunden und Bekannten überliefert, allerdings sind diese Äußerungen interpretationsbedürftig. Soviel scheint aber festzustehen, dass sich Goethe selber nicht immer an die eigenen theoretischen Vorgaben hinsichtlich des Unterschieds von Vorlesen, Rezitieren und Deklamieren gehalten hat. In den Unterweisungen seiner Theaterschauspieler hatte er die Deklamation auf der Theaterbühne von Vorlesen und Rezitation normativ abzugrenzen versucht: dort eine Verwandlung in eine andere Figur, hier die Vermittlung eines Sprachkunstwerks als etwas Drittes, von dessen emotionalem Gehalt der Vortragende nicht direkt berührt ist. In einer Reihe von Vorlese-Episoden hat Goethe in
Wilhelm Meisters Lehrjahre
and
Wahlverwandtschaften
gezeigt, dass die Wahl des richtigen Vortragsformats, ob Deklamieren, Rezitieren oder Vorlesen, auch eine Frage des gesellschaftlichen Takts und der Angemessenheit ist. Lächerlich macht sich, wer deklamiert, wo nur ein Vorlesen oder Rezitieren angemessen ist. Goethe sprach der Fähigkeit, Texte angemessen vorzutragen, einen hohen Bildungswert zu, jeder gebildete Mensch sollte dazu in der Lage sein. Das Vorlesen von Dramentexten wie denen von Shakespeare schätzte er im Alter als einzigartige Quelle der akusmatischen Stimulierung der Einbildungskraft der Zuhörer. Wie es scheint, favorisierte er dabei vor allem männliche Stimmen, doch gibt es Spuren, die darauf hindeuten, dass er auch die besonderen Vorteile des Vorlesens und Rezitierens durch Frauen anerkannte. |
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ISSN: | 0012-0936 2365-9521 |
DOI: | 10.1007/s41245-016-0028-5 |