Demokratie in der Wachstumskrise – Chancen demokratischer Transformation?
Wollte man der Demokratie eine Befähigung zur Leidenschaft unterstellen, so müsste man ihr eine lange Affäre mit wirtschaftlichem Wachstum bescheinigen. Allein die Beziehung zwischen Demokratie und Wachstum hat ihre Unbeschwertheit eingebüßt und ist mit den Jahren immer komplizierter, mehr noch: ist...
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Veröffentlicht in: | Berliner journal für Soziologie 2018-06, Vol.28 (1-2), p.275-287 |
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1. Verfasser: | |
Format: | Artikel |
Sprache: | ger |
Schlagworte: | |
Online-Zugang: | Volltext |
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Zusammenfassung: | Wollte man der Demokratie eine Befähigung zur Leidenschaft unterstellen, so müsste man ihr eine lange Affäre mit wirtschaftlichem Wachstum bescheinigen. Allein die Beziehung zwischen Demokratie und Wachstum hat ihre Unbeschwertheit eingebüßt und ist mit den Jahren immer komplizierter, mehr noch: ist zunehmend konfliktträchtig geworden. Heute mag die Demokratie, wenn sie an Wachstum denkt, gar schmachten wie Bono: „I can’t live/with or without you“ – das Verhältnis ist erkennbar dysfunktional geworden, aber es geht (noch) auch nicht ohne einander. Ernsthafter könnte man sagen: Für die Demokratie ist Wachstum zur Bedingung ihrer Möglichkeit und Unmöglichkeit gleichermaßen geworden. Womit sich die Frage nach der Zukunft der Demokratie auf neue Weise stellt. Die These eines inneren Zusammenhangs zwischen ökonomischen Wachstumszwängen und Legitimationserfordernissen staatlicher Politik hatten Autoren wie Claus Offe und Jürgen Habermas schon in den 1970er-Jahren vertreten. Im Zeichen dieser Annahme wurde und wird die Diskussion über politische Institutionen der modernen Gesellschaft, ihre Begründungs-, Funktions- und Zukunftsfähigkeit seit längerem auch in Auseinandersetzung mit sich selbst verstärkenden Krisentendenzen und Widersprüchen kapitalistischer Akkumulationsregime verhandelt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist sowohl eine Verschärfung dieser Ausgangslage in Form von ökonomischen Wachstumskrisen als auch eine Zunahme diagnostizierter Demokratiekrisen und postdemokratischer Verhältnisse zu verzeichnen. Die Frage, ob sich in dieser Gleichzeitigkeit von Wirtschafts- und Demokratiekrise ein struktureller Widerspruch wachstumsbasierter Gesellschaften manifestiert, der demokratische Institutionen als solche grundlegend beeinflusst, erodieren lässt oder gar zu einer tiefgreifenden Transformation führen kann, bildete den Ausgangspunkt des dreitägigen Workshops, zu dem der AK Postwachstum am DFG-Kolleg „Postwachstumsgesellschaften“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena eingeladen hatte. Als Fixpunkt der Diskussion wurde zum Auftakt durch Tilman Reitz (Jena) die Frage nach der Krise mit der nach Transformation verknüpft und auf die Formel „Change by design, by disaster or by deliberation?“ gebracht. Vor diesem Hintergrund stand der erste Veranstaltungstag zunächst im Zeichen der Bestandaufnahme aktueller Befunde und Schlüsselkonzepte der Debatte. Am zweiten und dritten Tag wurde im Anschluss hieran für konkrete Debattenfelder – namentlich die Bereiche der Sorge |
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ISSN: | 0863-1808 1862-2593 |
DOI: | 10.1007/s11609-018-0373-7 |