Doppelte Moral

ZusammenfassungDer Artikel präsentiert ein bisher unbekanntes Memorandum von Kurt Gerstein, dem Widerstandskämpfer aus dem Kreis der Bekennenden Kirche und Zeugen des Holocaust. In diesem Memorandum, das er im April 1938 an das Reichsministerium des Innern richtete, beschäftigt sich Gerstein ausführ...

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Naturwissenschaften, Technik und Medizin Technik und Medizin, 2018-01, Vol.26 (2), p.185-212
1. Verfasser: Schütz Mathias
Format: Artikel
Sprache:ger
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Beschreibung
Zusammenfassung:ZusammenfassungDer Artikel präsentiert ein bisher unbekanntes Memorandum von Kurt Gerstein, dem Widerstandskämpfer aus dem Kreis der Bekennenden Kirche und Zeugen des Holocaust. In diesem Memorandum, das er im April 1938 an das Reichsministerium des Innern richtete, beschäftigt sich Gerstein ausführlich mit dem gegenwärtigen System der anatomischen Leichenbeschaffung, seiner Wurzeln und Dilemmata. Durch die Einordnung des Memorandums in die größeren Zusammenhänge seines widersprüchlichen Lebens kann eine Lücke in Gersteins Biographie geschlossen werden, in der sein Verhältnis zur Medizin einen Weg moralischer Neuorientierung zwischen christlichem Anspruch und nationalsozialistischer Realität darstellte. Darüber hinaus ermöglichen es die in dem Memorandum ausgeführten Positionen Gersteins, seine Kritik am System anatomischer Leichenbeschaffung und seine Reformvorschläge, die Geschichte der Anatomie in Deutschland nachzuzeichnen. Insbesondere die Ungereimtheiten des Memorandums, das einerseits eine umfassende Pietät gegenüber den Toten einfordert, andererseits eine bestimmte Gruppe – die Hingerichteten – von dieser Pietät ausnimmt, offenbaren den Grundsatzkonflikt des anatomischen Umgangs mit dem menschlichen Körper. Ebenso zeigen sie Gersteins inneren Konflikt einer moralischen Positionierung unter nationalsozialistischen Verhältnissen auf.
ISSN:0036-6978
1420-9144
DOI:10.1007/s00048-018-0189-8