tu regere imperio populos, Romane, memento …»: Zur Rezeption von Vergil und Horaz im italienischen Faschismus am Beispiel des Siegesplatzes in Bozen

In faschistisch gesinnten Fachkreisen betrachtete man das Carmen als Programmschrift des augusteischen Imperiums und setzte die politischen Ziele des Augustus unverhohlen mit jenen Mussolinis gleich.29 Wie kein anderes Werk verkörpere das Carmen neben der Aeneis den Geist des Römertums, der auf ewig...

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Antike und Abendland 2012-11, Vol.58 (1), p.143-166
1. Verfasser: Strobl, Wolfgang
Format: Artikel
Sprache:ger
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Beschreibung
Zusammenfassung:In faschistisch gesinnten Fachkreisen betrachtete man das Carmen als Programmschrift des augusteischen Imperiums und setzte die politischen Ziele des Augustus unverhohlen mit jenen Mussolinis gleich.29 Wie kein anderes Werk verkörpere das Carmen neben der Aeneis den Geist des Römertums, der auf ewig die Welt beherrschen werde.30 In diesem Zusammenhang wurde neben dem berühmten dulce et decorum est pro patria mori beson- ders die dritte Strophe des Carmen saeculare von Altertumskundlern häufig zu Propagan- dazwecken zitiert.31 In Kreisen maßgeblicher faschistischer Intellektueller deutete man die Strophe als Weissagung über die ewige Größe Roms, die sich in der Gegenwart der faschi- stischen Ara erfüllt habe,32 aber auch als Verherrlichung der pax Romana unter Augustus.33 Bereits in den späten 20er Jahren wird das Carmen als «Stimme einer Nation» ideologisiert, die dank Mussolini wiedererstarkt und zu neuem Selbstbewusstsein gelangt ist und nun- mehr ihren Primats ans pruch geltend machen will.34 Der Philologe Umberto Mancuso ge- staltete im faschistischen Rundfunk E.I.A.R. eine Sendung über die künstlerische und spi- rituelle Bedeutung des Carmen saeculare und erblickte im Gedicht die erste italienische Nationalhymne.35 Ein weiteres probates Mittel faschistischer Propaganda bildeten Brief- markenserien, die man zu verschiedenen Anlässen drucken ließ.36 In raffinierten und wohl- durchdachten Arrangements wird in einer Serie, die der Künstler Corrado Mezzana auf Betreiben des «Istituto di Studi Romani» anlässlich der «Mostra Augustea» gestaltete, vor- dergründig an Augustus und seine Taten erinnert, subtil aber immer wieder auf Mussolini und die faschistische Gegenwart angespielt.37 Die 80-Centesimi-Marke38 zeigt in Anspie- lung auf die Quadriga im Giebel des Apollotempels auf dem Palatin und auf dem Brust- panzer des Augustus von Primaporta vier vor dem Hintergrund der Sonne galoppierende Pferde, wobei als Bildunterschrift erneut das Horaz-Zitat Alme Sol possis nihil urbe Roma visere maius begegnet.39 Dasselbe Zitat fand in einer von dem Maler Giuseppe Rondini 1936 anlässlich des «Bimillenario Oraziano» entworfenen Serie von Luftpostmarken Ver- wendung, wo auf der Briefmarke im Wert von 5+2 Lire neben der Horazischen Verszeile die Sonne über den Ruinen des antiken Roms erstrahlt.40 In der selben verkürzten Form wurde das Zitat auch als Inschrift auf dem «Arco dei Fileni» angebracht.41 Diesen Bogen hatte der Kolonialarchitekt Florestano di Fausto (1890-1965)
ISSN:0003-5696
1613-0421
DOI:10.1515/anti.2012.58.1.143