Über einige Unterschiede zwischen antiker und moderner Staatsauffassung

Anhänger des Neoaristotelismus und des sogenannten normativ-ontologischen Ansatzes der Politikwissenschaft gehen davon aus, daß das antike Politikverständnis auch für moderne Zeiten vorbildhaft ist. Dabei werden die Strukturunterschiede zwischen der Antike und der Moderne übersehen: die veränderte W...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Politische Vierteljahresschrift 1988-06, Vol.29 (2), p.210-229
1. Verfasser: Trapp, Manfred
Format: Artikel
Sprache:ger
Online-Zugang:Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Anhänger des Neoaristotelismus und des sogenannten normativ-ontologischen Ansatzes der Politikwissenschaft gehen davon aus, daß das antike Politikverständnis auch für moderne Zeiten vorbildhaft ist. Dabei werden die Strukturunterschiede zwischen der Antike und der Moderne übersehen: die veränderte Wirtschaftsweise und das veränderte Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Wegen der Einheit von Staat und Gesellschaft ist die Polis ein Bürgerverband von Grundeigentümern, während sich in der Moderne soziale und politische Qualifikationen voneinander trennen. Das antike Privateigentum ist eines an den konkreten Lebensbedingungen und dient der Selbstversorgung, das moderne Eigentum dient der geldmäßigen Verwertung. Die antike Freiheit beruht auf wirklicher Unabhängigkeit, während in der Moderne soziale Abhängigkeiten neben rechtlicher und politischer Freiheit existieren können. Die antike Gleichheit ist eine von Aristokraten oder Landbesitzern und hat mit demokratischer Egalität nichts zu tun. In der Antike ist das Gemeinwohl eine konkrete Zusammenfassung verschiedener Interessen (oder auch deren Konflikt). Schließlich kann die antike Freiheit nur in einer direkten Demokratie existieren, Repräsentation gilt als Knechtschaft. Eine Übertragung antiker Vorstellungen von Freiheit, Recht und Demokratie auf die moderne Demokratie scheitert daran, daß die historischen Voraussetzungen des antiken Politikmodells nicht mehr existieren. Neo-aristotelians and supporters of the normative-ontological approach of political science argue that the classical concept of politics is a model even for the modern age. This view fails to capture the structural differences between the antiquity and the modern world, in particular the differences in economic activity and changes in the relations between state and society. Due to the indivisibility of state and society in the polis, the ancient city-state is an association of land-owning citizens, whereas in modern age social and political functions are separated. In the antiquity, private property means ownership of the real means of human existence and self-sufficiency, whereas modern capitalist property involves accumulation of monetary values. Classical liberty is based on social dependence, whereas in modern times social dependence coexists with personal and political freedom. Equality in the antique world is equality among aristocrats or land-owners; it is not to be confounded with democratic equality. In the antiquity, the common w
ISSN:0032-3470
1862-2860