Die Sippenhaft: Begründete Zweifel an einem Grundsatz des "deutschen Rechts"
Die landläufige Vorstellung der Germanistik geht davon aus, das "ältere deutsche Recht", also vor der Rezeption des gelehrten römisch-kanonischen Rechts, habe den Grundsatz der "Sippenhaftung" gekannt, nach welchem die ganze Sippe für die Straftaten ihrer Mitglieder einzustehen h...
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Veröffentlicht in: | Mediaevistik 2005-01, Vol.18 (1), p.117-144 |
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1. Verfasser: | |
Format: | Artikel |
Sprache: | eng ; ger |
Online-Zugang: | Volltext |
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Zusammenfassung: | Die landläufige Vorstellung der Germanistik geht davon aus, das "ältere deutsche Recht", also vor der Rezeption des gelehrten römisch-kanonischen Rechts, habe den Grundsatz der "Sippenhaftung" gekannt, nach welchem die ganze Sippe für die Straftaten ihrer Mitglieder
einzustehen hat. Schon die von Ludwig Fachsius (1497-1554) begründete, im 16. Jahrhundert unter dem Titel "Differentiarum Iuris civilis et Saxonixi libri duo" sehr verbreitete Gegenüberstellung des römischen und sächsischen Rechts bezeichnet die Übertragung des
Ehrmangels vom Vater auf den Sohn als einen der wesentlichen Unterschiede beider Rechte. Rudolf von Sydow spricht dann in seiner "Darstellung des Erbrechts nach den Grundsätzen des Sachsenspiegels" von 1828 von einem "altdeutschen System der Familienbürgschaft". Die "Übertragung
der Schuld auf die Nachkommen" ist auch für Freiherr Leopold von Borch (1828-1896) ein "altgermanischer Grundsatz" und nach deutschem Recht "ganz gewöhnlich". Er trauert diesem Grundsatz angesichts neuerer Gesetze regelrecht nach. Das "deutsche" Recht wäre
dann, wie Leonhard Winkler meint, vom Grundsatz der Sippenhaftung "im Laufe der fortschreitenden Gesittung" zum Grundsatz der persönlichen Haftung übergegangen. Noch Brigitte Janz geht von der "Sippenhaftung" im älteren deutschen Recht aus, erklärt die späteren
Änderungen aber nicht mit fortschreitender Gesittung, sondern mit der These von der "Frührezeption". |
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ISSN: | 0934-7453 |
DOI: | 10.3726/83004_117 |