Leben vom lebendigen Gott. Hostienesser im Mittelalter

Angeregt durch Entwicklungen auf dem Gebiet der Humangenetik, Ergebnisse der Gender Studies oder Strömungen in der historischen Anthropologie wenden Mediävisten der Geschichte des Körpers seit einiger Zeit größere Aufmerksamkeit zu. Gerade auch für eine Beschäftigung mit mittelalterlicher Religiosit...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Mediaevistik 2005-01, Vol.18 (1), p.69-81
1. Verfasser: Israel, Uwe
Format: Artikel
Sprache:eng ; ger
Online-Zugang:Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Angeregt durch Entwicklungen auf dem Gebiet der Humangenetik, Ergebnisse der Gender Studies oder Strömungen in der historischen Anthropologie wenden Mediävisten der Geschichte des Körpers seit einiger Zeit größere Aufmerksamkeit zu. Gerade auch für eine Beschäftigung mit mittelalterlicher Religiosität kann Körpergeschichte neue Erkenntnisse bringen, und nicht nur, wenn man an die gepeinigten Leiber der Flagellanten, der Märtyrer oder des Schmerzensmannes denkt. Im Mittelpunkt von Kult und Liturgie stand für lange Zeit ein zunächst fleischloser Körper, die Hostie, die sich für die Gläubigen in der Wandlung aber in das Corpus Christi aus Fleisch und Blut verwandeln und sich in der Kommunion auch einverleiben ließ. Von besonders Begnadeten wird berichtet, daß bei ihnen die Inkorporation des Altarsakraments nicht nur die Seele, sondern auch den Körper zu verändern vermochte: Neben der himmlischen Speise bedurften sie fortan keiner natürlichen mehr; auch nach jahrelangem Dauerfasten verhungerten sie nicht. Wie die literarische Gestalt des guten Sünders Gregorius, der bei Hartmann von Aue zur Buße 17 Jahre lang auf einer Insel allein von Wasser lebte, gaben sie ihr Leben in die Hand Gottes und vertrauten darauf, daß er sie erhalten werde. Der König Mordrain des altfranzösischen Prosaromans Quste du Saint-Graal aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts lebte gar mehr als 400 Jahre gesund und fromm ohne irdisches Fleisch allein vom Sakrament der Messe.
ISSN:0934-7453
DOI:10.3726/83004_69