Erzwungener Wandel: Die Transformation der anatomischen Leichenbeschaffung in Bayern nach 1945

In diesem Beitrag werden die Motive und Debatten beschrieben, welche 1960/61 zu einem Rückzug des bayrischen Staats aus der Leichenbeschaffung für Anatomische Institute führten und damit den Übergang zu einer allein auf Körperspenden basierenden Versorgung markierten. Dieser Entscheidung zum Rückzug...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Medizinhistorisches Journal 2019-03, Vol.54 (1), p.70-92
1. Verfasser: Schütz, Mathias
Format: Artikel
Sprache:ger
Schlagworte:
Online-Zugang:Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:In diesem Beitrag werden die Motive und Debatten beschrieben, welche 1960/61 zu einem Rückzug des bayrischen Staats aus der Leichenbeschaffung für Anatomische Institute führten und damit den Übergang zu einer allein auf Körperspenden basierenden Versorgung markierten. Dieser Entscheidung zum Rückzug vorausgegangen war ein erfolgloser Versuch, die nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu nicht mehr vorhandenen Leicheneingänge gemäß den bis dahin gebräuchlichen Praktiken wiederaufzubauen, also Behörden und Wohlfahrtsverbände zur Ablieferung von Leichen anzuhalten. An den Auseinandersetzungen zwischen in Bayern tätigen Anatomen und bayrischen Staatsministerien um die Leichenbeschaffung für die Anatomien lässt sich zeigen, wie der teils unkritische Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Fachs zu dem Versuch führte, Wege der Leichenbeschaffung zu reaktivieren, die den sich nun etablierenden Vorstellungen von Persönlichkeitsrechten und individueller Selbstbestimmung immer deutlicher entgegenstanden. Deshalb vollzog sich die Einführung der Körperspende Anfang der 1960er Jahre gegen den Willen der Anatomen. The article deals with the motives and debates which led the Bavarian state to pull out of the system of anatomical body procurement, in 1960/61, and marked the transition to a system that would rely solely on body donations. This decision had been preceded by the unsuccessful attempt to revive the traditional system, which had virtually become inexistent after the Second World War, and intended to oblige administrations and charities to deliver deceased bodies. On the basis of the arguments between the Bavarian anatomists and State’s Ministries about anatomical body procurement it can be shown how the selective dealing with the profession’s National Socialist past contributed to the reestablishment of a system, which increasingly contradicted emerging conceptions of personal rights and individual self-determination. Therefore, the transition to body donations in the early 1960s was implemented against the will of the anatomists.
ISSN:0025-8431
1611-4477
DOI:10.25162/mhj-2019-0003