Schulterschluss oder Sackgasse – gelingt Europa eine wirksame Asyl- und Integrationspolitik?

Cevat Giray Aksoy, EBRD und King's College London, Panu Poutvaara, ifo Institut, und Felicitas Schikora, Konrad-Adenauer-Stiftung, zeigen, dass der aktuelle Verteilungsmechanismus von Geflüchteten in Deutschland mit erheblichen Kosten für Geflüchtete einhergeht, die in Landkreisen mit einem höh...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Ifo schnelldienst 2023-10, Vol.76 (10), p.03-28
Hauptverfasser: Aksoy, Cevat Giray, Poutvaara, Panu, Schikora, Felicitas, Sardoschau, Sulin, Jaschke, Philipp, Kuchler, Theresa, Vorländer, Hans, Heidland, Tobias, Lücke, Matthias, Steinmayr, Andreas, Brücker, Herbert
Format: Artikel
Sprache:ger
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Theresa Kuchler, New York University, misst die soziale Integration von Syrern in Deutschland anhand von Facebook-Daten. Ein Großteil der in Deutschland lebenden Syrer sei nicht gut integriert und es gebe hierbei starke geographische Unterschiede. Gegenden, in denen Syrer überdurchschnittlich gut sozial integriert sind, zeigen, welche Maßnahmen die Integration fördern, und könnten so Vorbilder für andere Städte und Gemeinden sein. Konkret trage ein größeres Angebot von Integrationskursen zur besseren Integration bei. Langfristig führe mehr Kontakt und Umgang zwischen Deutschen und Syrern zu mehr Kontaktfreudigkeit und Freundschaften. Hans Vorländer, TU Dresden und Sachverständigenrat für Integration und Migration, sieht Deutschlands Migrationspolitik unter Druck. Zwar wurden Einwanderungs- und Aufenthaltsregelungen liberalisiert, doch die Asylmigration spitze sich weiter zu. Die Situation in Deutschland müsse differenziert betrachtet werden. So sei ein Hauptgrund für gegenwärtige Belastungen darin zu sehen, dass die administrativen Prozesse zu kompliziert und zu langwierig verlaufen. Noch schwerwiegender seien die behördlichen Prozessabläufe vor Ort, die sich aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Stellen ergeben und die nicht effektiv aufeinander abgestimmt seien. Die Überlastung, von der Kommunen sprechen, sei oft Folge struktureller Defizite des Verwaltungsvollzugs und der Umsetzung föderalstaatlicher Entscheidungen und Regelungen. Andere europäische Länder wären hier weit besser aufgestellt. Aus Sicht von Tobias Heidland und Matthias Lücke, Kiel Institut für Weltwirtschaft, sollte Flüchtlingsschutz als internationales öffentliches Gut organisiert werden. Dadurch rücke eine faire Verantwortungsteilung zwischen der EU und Aufnahmeländern außerhalb Europas sowie zwischen den EU-Mitgliedstaaten in den Vordergrund. Davon seien wir zurzeit noch weit entfernt. Die EU sollte die Aufnahme von Flüchtlingen in Drittländern verbindlicher und mit mehr Geld unterstützen – im Gegenzug für wirksame Zusammenarbeit bei der Reduzierung der irregulären Zuwanderung nach Europa. Innerhalb der EU erfordere eine faire, transparente und durchsetzbare Verantwortungsteilung letztlich ein gemeinsam finanziertes und organisiertes Asylsystem. Andreas Steinmayr, Universität Innsbruck, sieht als Kernstück der Reform des europäischen Asylsystems die Trennung von irregulärer Einreise und dem Recht auf Asyl. Dafür bedürfe es der Schaffung von legalen Fluchtwegen. Asylanträge müssten außerhalb der EU gestellt werden können, etwa in Botschaften oder Flüchtlingscamps. Dies setze ein einheitliches, überall akzeptiertes europäisches Asylverfahren voraus. Die Umsetzbarkeit eines derartigen Systems hänge an der Akzeptanz der europäischen Bevölkerung und der Bereitschaft von angrenzenden Drittstaaten und Ursprungsländern, irregulär in die EU eingereiste Personen wieder zurückzunehmen. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird aus Sicht von Herbert Brücker, Humboldt Universität zu Berlin und IAB Nürnberg, an ihren inneren Widersprüchen scheitern. Eine humanitäre, faire und effiziente Asylpolitik erfordere weitere Maßnahmen, z.B. die Entwicklung eines fairen und effizienten Mechanismus der Verteilung von Geflüchteten in der Gemeinschaft, die materielle Unterstützung der Anrainerstaaten der Kriegs- und Krisenstaaten, nicht nur der Türkei, oder Resettlement-Programme in weit größerem Umfang als bisher. Zudem bedürfe es einer Ergänzung durch eine Arbeitsmarktmigrationspolitik.</description><identifier>ISSN: 0018-974X</identifier><language>ger</language><publisher>München: ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München</publisher><ispartof>Ifo schnelldienst, 2023-10, Vol.76 (10), p.03-28</ispartof><oa>free_for_read</oa><woscitedreferencessubscribed>false</woscitedreferencessubscribed></display><links><openurl>$$Topenurl_article</openurl><openurlfulltext>$$Topenurlfull_article</openurlfulltext><thumbnail>$$Tsyndetics_thumb_exl</thumbnail><link.rule.ids>314,780,784</link.rule.ids></links><search><creatorcontrib>Aksoy, Cevat Giray</creatorcontrib><creatorcontrib>Poutvaara, Panu</creatorcontrib><creatorcontrib>Schikora, Felicitas</creatorcontrib><creatorcontrib>Sardoschau, Sulin</creatorcontrib><creatorcontrib>Jaschke, Philipp</creatorcontrib><creatorcontrib>Kuchler, Theresa</creatorcontrib><creatorcontrib>Vorländer, Hans</creatorcontrib><creatorcontrib>Heidland, Tobias</creatorcontrib><creatorcontrib>Lücke, Matthias</creatorcontrib><creatorcontrib>Steinmayr, Andreas</creatorcontrib><creatorcontrib>Brücker, Herbert</creatorcontrib><title>Schulterschluss oder Sackgasse – gelingt Europa eine wirksame Asyl- und Integrationspolitik?</title><title>Ifo schnelldienst</title><description>Cevat Giray Aksoy, EBRD und King's College London, Panu Poutvaara, ifo Institut, und Felicitas Schikora, Konrad-Adenauer-Stiftung, zeigen, dass der aktuelle Verteilungsmechanismus von Geflüchteten in Deutschland mit erheblichen Kosten für Geflüchtete einhergeht, die in Landkreisen mit einem höheren Niveau von Arbeitslosigkeit und in weniger aufnahmebereiten Regionen untergebracht sind. Falls das Prinzip der landesweiten Zuweisung von Geflüchteten beibehalten werden soll, sollte die Integrationsfähigkeit der einzelnen Bundesländer stärker berücksichtigt werden. So könnten beispielsweise die Quoten für die Zuweisung von Geflüchteten in Bezug auf das Einkommen progressiver gestalten werden, oder man könnte den Anteil der offenen Stellen als Kriterium berücksichtigen. Sulin Sardoschau, Humboldt-Universität zu Berlin, und Philipp Jaschke, IAB Nürnberg, analysieren die Auswirkungen von Einstellungen der Aufnahmegesellschaft auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Sie konstruieren einen regionalen Bedrohungsindex und zeigen, dass in Regionen mit einem höheren Bedrohungsindex die Beschäftigungsquote und das Lohnniveau von Geflüchteten niedriger ist. Eine deutliche Eindämmung der Bedrohungslage für Geflüchtete könnte die jährlichen Gesamtkosten zwischen 78 und 161 Millionen Euro senken. Theresa Kuchler, New York University, misst die soziale Integration von Syrern in Deutschland anhand von Facebook-Daten. Ein Großteil der in Deutschland lebenden Syrer sei nicht gut integriert und es gebe hierbei starke geographische Unterschiede. Gegenden, in denen Syrer überdurchschnittlich gut sozial integriert sind, zeigen, welche Maßnahmen die Integration fördern, und könnten so Vorbilder für andere Städte und Gemeinden sein. Konkret trage ein größeres Angebot von Integrationskursen zur besseren Integration bei. Langfristig führe mehr Kontakt und Umgang zwischen Deutschen und Syrern zu mehr Kontaktfreudigkeit und Freundschaften. Hans Vorländer, TU Dresden und Sachverständigenrat für Integration und Migration, sieht Deutschlands Migrationspolitik unter Druck. Zwar wurden Einwanderungs- und Aufenthaltsregelungen liberalisiert, doch die Asylmigration spitze sich weiter zu. Die Situation in Deutschland müsse differenziert betrachtet werden. So sei ein Hauptgrund für gegenwärtige Belastungen darin zu sehen, dass die administrativen Prozesse zu kompliziert und zu langwierig verlaufen. Noch schwerwiegender seien die behördlichen Prozessabläufe vor Ort, die sich aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Stellen ergeben und die nicht effektiv aufeinander abgestimmt seien. Die Überlastung, von der Kommunen sprechen, sei oft Folge struktureller Defizite des Verwaltungsvollzugs und der Umsetzung föderalstaatlicher Entscheidungen und Regelungen. Andere europäische Länder wären hier weit besser aufgestellt. Aus Sicht von Tobias Heidland und Matthias Lücke, Kiel Institut für Weltwirtschaft, sollte Flüchtlingsschutz als internationales öffentliches Gut organisiert werden. Dadurch rücke eine faire Verantwortungsteilung zwischen der EU und Aufnahmeländern außerhalb Europas sowie zwischen den EU-Mitgliedstaaten in den Vordergrund. Davon seien wir zurzeit noch weit entfernt. Die EU sollte die Aufnahme von Flüchtlingen in Drittländern verbindlicher und mit mehr Geld unterstützen – im Gegenzug für wirksame Zusammenarbeit bei der Reduzierung der irregulären Zuwanderung nach Europa. Innerhalb der EU erfordere eine faire, transparente und durchsetzbare Verantwortungsteilung letztlich ein gemeinsam finanziertes und organisiertes Asylsystem. Andreas Steinmayr, Universität Innsbruck, sieht als Kernstück der Reform des europäischen Asylsystems die Trennung von irregulärer Einreise und dem Recht auf Asyl. Dafür bedürfe es der Schaffung von legalen Fluchtwegen. Asylanträge müssten außerhalb der EU gestellt werden können, etwa in Botschaften oder Flüchtlingscamps. Dies setze ein einheitliches, überall akzeptiertes europäisches Asylverfahren voraus. Die Umsetzbarkeit eines derartigen Systems hänge an der Akzeptanz der europäischen Bevölkerung und der Bereitschaft von angrenzenden Drittstaaten und Ursprungsländern, irregulär in die EU eingereiste Personen wieder zurückzunehmen. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird aus Sicht von Herbert Brücker, Humboldt Universität zu Berlin und IAB Nürnberg, an ihren inneren Widersprüchen scheitern. Eine humanitäre, faire und effiziente Asylpolitik erfordere weitere Maßnahmen, z.B. die Entwicklung eines fairen und effizienten Mechanismus der Verteilung von Geflüchteten in der Gemeinschaft, die materielle Unterstützung der Anrainerstaaten der Kriegs- und Krisenstaaten, nicht nur der Türkei, oder Resettlement-Programme in weit größerem Umfang als bisher. 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Theresa Kuchler, New York University, misst die soziale Integration von Syrern in Deutschland anhand von Facebook-Daten. Ein Großteil der in Deutschland lebenden Syrer sei nicht gut integriert und es gebe hierbei starke geographische Unterschiede. Gegenden, in denen Syrer überdurchschnittlich gut sozial integriert sind, zeigen, welche Maßnahmen die Integration fördern, und könnten so Vorbilder für andere Städte und Gemeinden sein. Konkret trage ein größeres Angebot von Integrationskursen zur besseren Integration bei. Langfristig führe mehr Kontakt und Umgang zwischen Deutschen und Syrern zu mehr Kontaktfreudigkeit und Freundschaften. Hans Vorländer, TU Dresden und Sachverständigenrat für Integration und Migration, sieht Deutschlands Migrationspolitik unter Druck. Zwar wurden Einwanderungs- und Aufenthaltsregelungen liberalisiert, doch die Asylmigration spitze sich weiter zu. Die Situation in Deutschland müsse differenziert betrachtet werden. So sei ein Hauptgrund für gegenwärtige Belastungen darin zu sehen, dass die administrativen Prozesse zu kompliziert und zu langwierig verlaufen. Noch schwerwiegender seien die behördlichen Prozessabläufe vor Ort, die sich aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Stellen ergeben und die nicht effektiv aufeinander abgestimmt seien. Die Überlastung, von der Kommunen sprechen, sei oft Folge struktureller Defizite des Verwaltungsvollzugs und der Umsetzung föderalstaatlicher Entscheidungen und Regelungen. Andere europäische Länder wären hier weit besser aufgestellt. Aus Sicht von Tobias Heidland und Matthias Lücke, Kiel Institut für Weltwirtschaft, sollte Flüchtlingsschutz als internationales öffentliches Gut organisiert werden. Dadurch rücke eine faire Verantwortungsteilung zwischen der EU und Aufnahmeländern außerhalb Europas sowie zwischen den EU-Mitgliedstaaten in den Vordergrund. Davon seien wir zurzeit noch weit entfernt. Die EU sollte die Aufnahme von Flüchtlingen in Drittländern verbindlicher und mit mehr Geld unterstützen – im Gegenzug für wirksame Zusammenarbeit bei der Reduzierung der irregulären Zuwanderung nach Europa. Innerhalb der EU erfordere eine faire, transparente und durchsetzbare Verantwortungsteilung letztlich ein gemeinsam finanziertes und organisiertes Asylsystem. Andreas Steinmayr, Universität Innsbruck, sieht als Kernstück der Reform des europäischen Asylsystems die Trennung von irregulärer Einreise und dem Recht auf Asyl. Dafür bedürfe es der Schaffung von legalen Fluchtwegen. Asylanträge müssten außerhalb der EU gestellt werden können, etwa in Botschaften oder Flüchtlingscamps. Dies setze ein einheitliches, überall akzeptiertes europäisches Asylverfahren voraus. 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source Elektronische Zeitschriftenbibliothek - Frei zugängliche E-Journals; EBSCOhost Business Source Complete; Alma/SFX Local Collection
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