Ausbreitung eines zweifach-resistenten Mycobacterium-tuberculosis-Stammes unter Obdachlosen in einer deutschen Großstadt
Zusammenfassung HINTERGRUND: Fälle von offener Lungentuberkulose sind aufgrund der persönlichen Risikofaktoren unter Obdachlosen wesentlich häufiger verbreitet als in der übrigen Bevölkerung; dabei ist in Deutschland von einer Zahl von etwa 500 000 Obdachlosen auszugehen. Die Tbc-Beratungsstelle des...
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Veröffentlicht in: | Pneumologie (Stuttgart, Germany) Germany), 2004, Vol.58 (1), p.17-22 |
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Hauptverfasser: | , , |
Format: | Artikel |
Sprache: | ger |
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HINTERGRUND: Fälle von offener Lungentuberkulose sind aufgrund der persönlichen Risikofaktoren unter Obdachlosen wesentlich häufiger verbreitet als in der übrigen Bevölkerung; dabei ist in Deutschland von einer Zahl von etwa 500 000 Obdachlosen auszugehen. Die Tbc-Beratungsstelle des Gesundheitsamtes der Stadt Hannover schickte im Herbst 1996 mehrere Sputumproben von Obdachlosen zur Untersuchung auf Mykobakterien an das Niedersächsische Landesgesundheitsamt. In den Proben wurde ein M. TUBERCULOSIS-Stamm gefunden, der ein ungewöhnliches Resistenzmuster mit einer Zweifachresistenz gegen Streptomycin und Rifampicin aufwies. METHODEN: Die zu untersuchenden Sputumproben wurden entsprechend der üblichen Standardverfahren, wie sie in der DIN 58 943-3 und in den MiQ 5/1998 beschrieben sind, getestet. Die Feintypisierung der Isolate wurde mittels IS6110-DNA-Fingerprinting durchgeführt. ERGEBNISSE: Es wurden in Hannover insgesamt 12 Patienten mit einer offenen Lungentuberkulose ermittelt, deren M. TUBERCULOSIS-Stämme eine Zweifachresistenz gegen Streptomycin und Rifampicin aufwiesen. 9 dieser 12 Patienten waren obdachlos und hatten in Obdachlosenunterkünften der Stadt übernachtet; in einem Fall handelte es sich um eine Krankenschwester, die sich eine berufsbedingte Tuberkuloseinfektion bei der Pflege der Patienten zugezogen hatte. Mithilfe des IS6110-RFLP-Fingerprinting konnte nachgewiesen werden, dass die 12 isolierten Mykobakterienstämme identisch waren. Dieses Resultat ist ein eindeutiger Hinweis auf das Vorliegen einer Infektkette unter den Obdachlosen einer deutschen Großstadt. Die Behandlung der obdachlosen Patienten erwies sich wegen der mangelnden Compliance als außerordentlich schwierig; in 4 Fällen war eine Zwangsisolierung mit Therapie in einer geschlossenen Klinik unumgänglich und 2 der Patienten mussten sogar zuvor per Fahndung gesucht werden. SCHLUSSFOLGERUNGEN: Das Infektionsschutzgesetz hat den Gesundheitsämtern einige neue Möglichkeiten zur Kontrolle und Prävention der Tuberkulose unter den Obdachlosen in die Hand gegeben. So dürfen die Gesundheitsämter jetzt beispielsweise eine „aufsuchende” Gesundheitsvorsorge betreiben und ambulante Therapien durchführen; auch die Kostenübernahme bei mittellosen Patienten ist festgelegt. Deshalb sollten diese Möglichkeiten umfassend genutzt werden, da eine deutliche Intensivierung der Tuberkulosebekämpfung unter der obdachlosen Bevölkerung angezeigt wäre. |
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ISSN: | 0934-8387 1438-8790 |
DOI: | 10.1055/s-2003-812442 |