Unterstützte Erinnerung“ als Form der Wissensorganisation: Zur Rolle der Fürsorgeakte in der biografischen Erinnerungsarbeit ehemaliger Heimkinder

Zusammenfassung Mündliche und schriftliche Quellen validieren sich nicht gegenseitig. Vielmehr – so argumentieren die AutorInnen – stellen sie Erkenntnismittel im je eigenen Recht dar. Was sich ereignet, wenn – wie in der Heimgeschichteforschung nicht unüblich – die schriftliche Quelle der Jugendfürsorgeakte von den Interviewten, den ehemaligen Heimkindern, selbst als Erkenntnismittel und Erinnerungsstütze genutzt wird, davon handelt der vorliegende Beitrag. Er zeigt die Bedeutung der Fürsorgeakte im Rahmen biografischer Erinnerungsarbeit – gerade für Personen, die aufgrund ihrer spezifischen Aufwachsensbedingungen in Fremdunterbringungsinstitutionen vom üblicherweise zur Verfügung stehenden generationalen Gedächtnis ausgeschlossen sind. Der Beitrag dokumentiert und diskutiert den Gebrauch dieser spezifischen schriftlichen Quelle als Organisatorin und Ordnerin biografischer Wissensbestände, als Mobilisatorin und Mediatorin erinnerter Erfahrung, aber eben auch als aufklärungsbedürftige Falschmeldung, Fehldeutung und Leerstelle. Er zeigt beispielhaft den herausfordernden, aber letztlich gelingenden Umgang einer Interviewpartnerin mit der über sie angelegten Fürsorgeakte und gibt darüber hinaus Auskunft über die darin aufgeworfenen Fragen nach Gedächtnis, Erinnern und Repräsentation.