Innovation aus Kontinuität. Hans-Ulrich Wehler (1931–2014) in der deutschen Geschichtswissenschaft

Mit dem Tod Hans-Ulrich Wehlers beginnt der Versuch, Motive, Werk und Wirkung des vermutlich einflussreichsten deutschen Historikers des letzten halben Jahrhunderts zu analysieren. Während Wehler selber den Gegensatz zu den Traditionen der deutschen Geschichtswissenschaft scharf betonte und performa...

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Bibliographische Detailangaben
Veröffentlicht in:Historische Zeitschrift 2014-12, Vol.299 (3), p.593-623
1. Verfasser: Nolte, Paul
Format: Artikel
Sprache:eng
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Beschreibung
Zusammenfassung:Mit dem Tod Hans-Ulrich Wehlers beginnt der Versuch, Motive, Werk und Wirkung des vermutlich einflussreichsten deutschen Historikers des letzten halben Jahrhunderts zu analysieren. Während Wehler selber den Gegensatz zu den Traditionen der deutschen Geschichtswissenschaft scharf betonte und performativ inszenierte, stand er doch in deutlicher Kontinuität zu vielen ihrer klassischen Fragestellungen und Darstellungsformen. Seinem Selbstverständnis nach wollte er das Fach weder spalten noch aus den Angeln heben, sondern sein Koordinatensystem ein Stück weit verschieben – bis zu Grenzen, die er oft ebenso polemisch markierte: nach politischer Position und intellektuellen Strömungen, in den Methoden und den Formen der Geschichtsschreibung. Mit der von ihm mitbeeinflussten, aber auch generations- und zeitbedingten Umprägung der Geschichtswissenschaft wurde er in den 1980er Jahren vom Außenseiter zum „Mainstreamer“, der sich dieser Rolle gleichwohl, nicht zuletzt im „Historikerstreit“, wieder verweigerte. Erst mit der „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“ wandelte sich der Politikhistoriker Wehler zum Sozialhistoriker, doch auch mit diesem Hauptwerk schrieb er Traditionen fort: die Tradition des gelehrten Hauptwerks, die nationalgeschichtliche Rahmung, das syntheseorientierte „master narrative“, und überhaupt den „auktorialen“ Gestus von Geschichtswissenschaft. In seiner Kampfansage an die neue Kulturgeschichte verteidigte er weniger ein spezifisches sozialgeschichtliches Programm als solche allgemeineren Muster des Faches, die weiterhin zur Debatte stehen. With the death of Hans-Ulrich Wehler, it becomes possible to analyze this probably most influental German historian of the last half century with regard to his motives, writings, and impact. While Wehler himself strongly emphasized his being in contrast to major traditions of German historiography, he really pursued much continuity to its classical questions and patterns of representation. In his own view, his intention was not to split the discipline or break it apart, but rather move its coordinates – up to those boundaries that he often marked with an equal measure of his polemics: with regard to political positions and intellectual trajectories, in methods and historiography. When the discipline as a whole had changed by the 1980s – due to Wehler’s engagement, but also more general trends and a generational transition – the former outsider became a mainstreamer. And yet, especially in the „Historikerstreit“
ISSN:0018-2613
2196-680X
DOI:10.1515/hzhz-2014-0423