Der diskrete Charme der Gesellschaftsdiagnose: Wesen und Wirkung eines soziologischen Genres

Gesellschaftsdiagnosen haben als eine Variante öffentlicher Soziologie eine wichtige Legitimationsfunktion für das Fach. Zumindest, sofern die Gesellschaftsdiagnose als legitime Spielart soziologischer Theoriebildung gilt. Um dies zu begründen, wird zunächst das Verhältnis zwischen Gesellschaftsdiag...

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Veröffentlicht in:Soziale Welt 2021, Vol.72 (1), p.3-26
1. Verfasser: Bogner, Alexander
Format: Artikel
Sprache:ger
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Beschreibung
Zusammenfassung:Gesellschaftsdiagnosen haben als eine Variante öffentlicher Soziologie eine wichtige Legitimationsfunktion für das Fach. Zumindest, sofern die Gesellschaftsdiagnose als legitime Spielart soziologischer Theoriebildung gilt. Um dies zu begründen, wird zunächst das Verhältnis zwischen Gesellschaftsdiagnose, Zeitdiagnose und Gesellschaftstheorie beleuchtet. Im Anschluss werden Prämissen, Problemstellungen und Konstruktionsprinzipien der Gesellschaftsdiagnose rekonstruiert. Gesellschaftsdiagnosen, so die zentrale These, leben von der gelungenen Kombination aus einer auf das Wesenhafte abzielenden Gesellschaftsbeschreibung, der plausiblen Konstruktion eines Epochenbruchs innerhalb der Moderne und einer moderat kulturkritischen Tonlage. Der diskrete Charme der Gesellschaftsdiagnose, so die Schlussfolgerung, besteht darin, dass gerade eine „altmodische“ Form des Theoretisierens in der Lage ist, die modischen Ansprüche verstärkten Problemund Öffentlichkeitsbezugs zu erfüllen, mit denen sich heute auch und gerade die Soziologie konfrontiert sieht. Gesellschaftsdiagnosen, as a part of public sociology, have an important legitimizing function for the discipline, provided that Gesellschaftsdiagnose is considered a legitimate variant of sociological theory building. In order to substantiate this, the relationship between Gesellschaftsdiagnose, Zeitdiagnose (diagnosis of our time) and social theory will first be examined. Subsequently, the premises, problems and construction principles of Gesellschaftsdiagnose are reconstructed. According to the central thesis, Gesellschaftsdiagnosen basically represent a successful combination of a portrait of the “essence” (Wesen) of society, the plausible construction of an epochal break within modernity and a (moderately) kulturkritischer tone. As described in the conclusion, the discreet charm of Gesellschaftsdiagnosen consists in the fact that an “old-fashioned” form of theorizing, of all things, is capable of fulfilling the fashionable demands of an increased reference to “real-world” problems and public concerns, with which sociology is also and especially confronted today.
ISSN:0038-6073
DOI:10.5771/0038-6073-2021-1-3